Der letzte Walzer

 

Buchveröffentlichung „Der letzte Walzer“

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„Für mich handelt es sich bei den Diabelli-Variationen um das vielleicht spannendste Werk Beethovens. Sie sind Musik über Musik. Offensichtlich hat Beethoven sich an Bachs Goldberg-Variationen orientiert, zitiert aber auch Haydn oder Mozart, dem er mit dem Don Giovanni-Motiv die 22. Variation widmet. Am Ende kehrt Beethoven zu sich selber zurück, zitiert in der 33. Variation seine letzte Sonate und offenbart sein Genie, indem er einen einfachen Walzer in seine strukturellen Einzelteile zerlegt hat, um diese in aller Komplexität nach seinem Ebenbild wieder zusammenzubauen.
Mein Projekt Diabelli 2020 sollte die Zeiten überbrücken und Beethoven in unsere Zeit spiegeln. Dass wir dabei heute nicht mehr national denken wie einst Diabelli, sondern wissen, dass Beethoven 2020 längst in der globalen Welt angekommen ist, machte das Vorhaben umso interessanter.
Es macht mich glücklich, dass ich elf Komponisten verschiedener Generationen und kultureller Hintergründe für meine Idee begeistern konnte: von Lera Auerbach bis Max Richter. Ich freue mich auch, dass Tan Dun dabei ist, den ich als Cineast für seine oscarprämierte Musik zu Ang Lees Kino-Klassiker „Crouching Tiger, Hidden Deagon“ verehre. Der Australier Brett Dean schrieb seine Variation, und das ehrt mich sehr, „for RB in Admiration“ und beginnt ein verrücktes „con fuoco“, Toshio Hosokawa taufte sein Werk „Verlust“ und beginnt mit einem „Adagio sostenuto“, um dann – wie es sein Markenzeichen ist – mit kontemplativer Ruhe durch Diabellis Klanglandschaften zu wandeln. Er überreichte mir seine Partitur nach einem Konzert in Tokio, mit Bleistift geschriebene japanische Schriftzeichen auf der Titelseite.
So beiläufig der österreichische Komponist Johannes Maria Staud seine Variation „A propos…de Diabelli“ betitelt und den Interpreten auffordert, „geschmeidig und eigensinnig“ zu spielen, so sehr hat er mich mit seiner äußerst kreativen Notation herausgefordert. Für den deutschen Dirigenten und Komponisten Christian Jost ist Diabellis Walzer dagegen eine Inspiration für ein lustvolles Spiel, was schon am Titel „Rock it, Rudi!“ abzulesen ist, der mich beim Üben tatsächlich inspiriert hat. Auch Brad Lubman spannt in seiner „Variation für RB“ den Bogen durch die Musikgeschichte, ebenso wie der französische Komponist Philippe Manoury, der sein Stück programmatisch „Zwei Jahrhunderte später“ nennt und das Metronom (ein Hilfsmittel, das zu Beethovens Zeit populär wurde) in Szene setzt. Er notiert nicht weniger als 12 unterschiedliche Metronom-Angaben. Der russische Komponist Rodion Shchedrin beginnt seine Variation „quasi improvisato“, und der Komponist und Klarinettist Jörg Widmann dekliniert in seiner mehrteiligen Schluss-Variation charakteristische Beethoven-Merkmale. Besonders habe ich mich gefreut, als ich die Zwischen-Überschrift „Boogie Woogie“ gefunden habe, denn diese Musik verbinde auch ich gern mit Beethoven.“
— R. B.
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